Votum Neue Stadtgeschichte
Votum von Petra Ohnsorg zum Antrag „Neue Stadtgeschichte“ an der Einwohnerratssitzung vom 23. September 2024:
Die Stadtgeschichte von Aarau ist mehr als in die Jahre gekommen – wir haben es gehört. Der ur- und frühgeschichtliche Teil, den ich selber fachlich beurteilen kann, ist nicht nur überholt, sondern gleicht einer fantastischen Erzählung, die kaum auf Fakten basiert.
Diese Fakten zur Geschichte von Aarau sollen wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Das ist gut und wichtig, weil verlässliche Fakten werden – wie wir alle wissen – angesichts von fakenews und künstlicher Intelligenz immer wichtiger. Dass Geschichte sehr lang falsch erzählt oder sogar missbraucht wird, ist nämlich übrigens gar nicht so selten. Ein prominentes Beispiel kommt aus Nazi-Deutschland, wo man sich sehr bemüht hat, mit „Fake-Fakten“ – auch aus der Geschichte und Archäologie – die Überlegenheit von der „germanischen Rasse“ zu bestätigen. Das hatte sogar Auswirkungen bis zu uns in den Aargau, wo ein Nazi-Archäologe angeblich die südlichsten Ausläufer von einem ebenso angeblichen indogermanischen Urvolkes nachweisen wollte.
Das Beispiel zeigt grad auch, wie wichtig es ist, dass wissenschaftliche Fakten mit der Öffentlichkeit geteilt werden – und zwar immer wieder von Neuem. Es ist wichtig, dass sie immer wieder kritisch durchleuchtet und aus der aktuellen Zeit heraus neu beurteilt werden – wie das Beispiel von Nazi-Deutschland zeigt. Und gerade da ist eben das Projekt Neue Stadtgeschichte besonders stark. Wir Grünen staunen wie vielfältig, es angelegt ist, und mit welcher Produktepalette man die neuen Erkenntnisse der Bevölkerung zur Verfügung stellen will.
Aber würde es nicht reichen, wenn wir die Geschichte unserer Stadt in der Schule erzählen? Nein, das würde nicht reichen. Das Beispiel vom angeblichen „indogermanischen Urvolk“ zeigt nämlich auch, dass Geschichte für die ganze Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt und zwar von Jung bis Alt. Sie bildet den Boden für unsere Werte, unsere Traditionen und unsere Zukunftsvisionen. „Ohne Vergangenheit kann man keine Zukunft haben“ wie der berühmte Autor Michael Ende einst gesagt hat.
Unsere Gesellschaft wird immer durchmischter und vielschichtiger, auch in Aarau. Und Geschichte leistet einen wichtigen Beitrag, damit wir unsere Identität, unsere Errungenschaften und Stärken immer wieder neu finden und definieren können. Geschichte leistet einen wichtigen Beitrag, dass wir unsere Verbindungen untereinander und mit anderen immer wieder definieren und festigen können. Das schafft eine gemeinsame Verbindung und Basis für unsere Stadt, ihre Bewohner:innen.
Auch zu diesem Thema gibt es ein unschönes Beispiel: Kurz nachdem die Terrormiliz IS die antike Stadt Palmyra erobert hat, hat sie dort mehrere Tempel, Grabtürme und einen römischen Triumphbogen gesprengt. Aber wieso um Himmelswillen Ruinen sprengen? – Die Ruinen waren eben Zeugnis von einer historischen Verbindung, sie erzählten von der gemeinsamen Geschichte von Syrien mit der griechisch-römischen Kultur und somit mit der europäisch-westlichen Welt zeugt. Etwas, was dem IS gar nicht passt. Das Beispiel ist weit hergeholt – zugegeben, aber es zeigt doch, was für eine hohe Bedeutung und symbolische Kraft, dass das Wissen um unsere Herkunft und Geschichte hat oder plötzlich erhalten kann.
Noch kurz zum Geld: Ja, 2‘123’000 Mio. sind viel, aber die Stadt soll unter dem Strich ja höchstens 1 Mio. selber beitragen. Wir sind ausserdem sehr zuversichtlich, dass mehr Drittmittel beschafft werden können, als momentan budgetiert sind. Diverse, auch kleinere Stiftungen, die man anfragen könnte, sind ja im Budget noch gar nicht berücksichtigt.
So oder so: Der geplante Output vom Projekt Neue Stadtgeschichte ist aus Sicht der Grünen Fraktion sehr gross. Es ist eine spannende, moderne und vielfältige Produktepalette geplant, die verschiedene Bevölkerungsgruppen von Jung bis Alt erreichen soll. Diese Produktepalette macht das Projekt nach aussen sichtbar, und vor allem ist es gerade diese Produktepalette, die den Mehrwert des Projekts für die Bevölkerung generieren wird.
Die Grüne Fraktion freut sich auf diesen Mehrwert und wird den Antrag für die Neue Stadtgeschichte einstimmig unterstützen und den Kürzungsantrag einstimmig ablehnen.